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Gluten-Intoleranz, Zöliakie – oder was sonst?

Erika Mittergeber, Diaetologin Erika Mittergeber, Diaetologin

Immer mehr Menschen ernähren sich glutenfrei und erhoffen sich davon gesundheitliche Vorteile. Getreide hat einen schlechten Ruf.Vor allem das Klebereiweiß (= Gluten) im Getreide steht im Kreuzfeuer der Kritik. Was ist dran am glutenfrei-Trend? Wer sollte Gluten meiden und wann ist der Weg zum Facharzt sinnvoll?

Die Beschwerden, die auf Gluten zurückgeführt werden, reichen von Verdauungsproblemen über Migräne bis zu allgemeiner Müdigkeit. Was im deutschsprachigen Raum ein Trend ist, ist in den USA längst ein Hype. Dort sind über 60 % der Bevölkerung der Meinung, eine Ernährung ohne Gluten sei gesünder als eine mit.

Seit etwa 10.000 Jahren ist Getreide Bestandteil unserer Nahrung. Durch gezielte Züchtung entwickelten sich aus den Ur-Getreiden die heute bekannten Getreidesorten, die einen höheren Ernteertrag bringen. Mit dieser gezielten Züchtung stieg auch der Anteil an Klebereiweiß und anderen Inhaltsstoffen. Man vermutet, dass damit auch Getreideunverträglichkeiten Tür und Tor geöffnet wurde und nicht jeder bedenkenlos Getreide essen kann.

Zöliakie

Manche Menschen müssen Getreide meiden weil sie an Zöliakie leiden.Für die Betroffenen bedeutet das den lebenslangen Verzicht auf Dinkel, Weizen, Roggen, Gerste, häufig auch Hafer und daraus hergestellte Produkte wie Mehl, Grieß, Teigwaren und Kuchen. Bei uns ist ca. 1 % der Bevölkerung davon betroffen.Die Dunkelziffer wird höher angenommen, denn nicht jeder Patient mit Zöliakie hat auch die typischen Beschwerden wie Verdauungsprobleme, Untergewicht oder Eisenmangel. Was an glutenfreien Produkten vor einigen Jahren nur in ausgewählten Lebensmittelläden erhältlich war, füllt mittlerweile ganze Ladenzeilen in Supermärkten. Die Vielfalt an angebotenen Broten, Gebäck, Teigwaren und Halbfertigprodukten steigt stetig.Erkennbar sind glutenfreie Produkte an der durchgestrichenen Ähre. Dieses Zeichen garantiert Menschen mit Zöliakie, dass sie dieses Produkt bedenkenlos essen können.

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Weizenallergie

Ein weiterer Grund für das Meiden von Getreide kann eine Allergie sein. Die Diagnose erfolgt über die Messung spezieller Immunstoffe im Blut. Weizenallergien können – im Gegensatz zur Zöliakie – wieder verschwinden. Das geschieht häufig bei Kindern. Weizenallergiker können viele glutenfreie Produkte essen aber nicht alle. Weizenallergiker sind nämlich auf andere Eiweißbausteine als das Gluten allergisch. Deshalb kann es auch sein, dass bei einer Weizenallergie andere Getreidesorten gut verträglich sind. Entgegen der allgemeinen Auffassung, Dinkel sei gesünder als Weizen, können echte Weizenallergiker keinen Dinkel essen.

Gluten-Intoleranz oder Weizensensitivität

Wird Getreide schlecht vertragen und es steckt weder eine Zöliakie noch eine Allergie oder eine andere Erkrankung dahinter, spricht man von einer „Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität“. Es ist eigentlich eine Ausschlussdiagnose, denn noch gibt es keine Möglichkeit die Erkrankung über eine Untersuchung festzustellen. Betroffene profitieren ebenfalls von einer glutenfreien oder glutenarmen Ernährung. Wie lange diese einzuhalten ist, wird aktuell noch diskutiert. Ob das Klebereiweiß tatsächlich die Beschwerden auslöst, ist ebenfalls noch nicht ganz klar. Viele Fachleute vermuten eher eine Kombination aus genetischer Veranlagung und den hohen Anteil sogenannter ATI´s (Amylase-Trypsin-Inhibitoren), der in unseren modernen Getreidesorten enthalten ist. ATI´s erhöhen die Widerstandsfähigkeit gegen Schädlinge, aber auch das menschliche Immunsystem reagiert auf sie.Schätzungsweise 1 – 5 % der Bevölkerung sind betroffen. Möglich ist ebenso, dass bestimmte schwer verdauliche Kohlenhydrateim Getreide für die Beschwerden verantwortlich sind.

Was sonst?

Eine generelle Gesundheitsgefahr durch Klebereiweiß besteht zum derzeitigen Wissensstand nicht. Von 95 % der Bevölkerung dürfte das Gluten oder Getreide problemlos vertragen werden. Die glutenfreie Ernährung kann aber für einen Teil der Bevölkerung Vorteile haben. Dass das Angebot an guten glutenfreien Produkten größer wird, ist zu begrüßen. Vieles ist zu diesem Thema noch offen. Leider verordnen sich ein Großteil der Menschen die glutenfreie Diät selbst ohne andere Ursachen für ihre Gesundheitsprobleme ärztlich abklären zu lassen. Außerdem ist die Gefahr einer Fehlernährung groß, wenn ein Grundnahrungsmittel wie Getreide ohne gute Alternativen gemieden wird.

Haben Sie den Verdacht, dass Sie Getreide oder Gluten schlecht vertragen, empfiehlt sich der Gang zum Internisten und das Führen eines Ernährungs- und Beschwerdeprotokolls. Stecken weder Zöliakie, Allergien oder Erkrankungen der Verdauungsorgane hinter Ihren Gesundheitsproblemen, kann durch eine spezielle Testdiät herausgefunden werden, ob Sie von einer Weizen-Sensitivität betroffen sind. Fachlich versierte Diätologen sind dazu die richtigen Ansprechpartner. Sie helfen bei der Umsetzung einer verträglichen Kost.

Referenzen:
William F. Balistreri, MD: Deutliche Zunahme von glutenfreier Ernährung: Modeerscheinung oder tatsächlich oft gesünder?download 10.1.2017 von www.medscape.com
Kneifel G, Stallmach A, Felber J, Holtmeier W: Zöliakie und Weizensensitivität: Neues zu Gluten-Unverträglichkeiten; download 10.1.2017 von www.medscape.com
Bret S. Stetka, MD: Gesünder dank der richtigen Diät? Das Neueste zu Gluten, Paleo und veganer Ernährungdownload 10.1.2017 von www.medscape.com
Scherf K A,Köhler P: Weizen und Gluten: Technologische und gesundheitliche Aspekte, Ernährungsumschau 8/2016


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